Die 12 Prinzipien der Neurodidaktik – Teil 1 (von 3)
Als TrainerIn kann man aus Sicht der Hirnforschung so einiges falsch machen. Aber zum Glück auch vieles richtig.
Die meisten der im Artikel “Hirnforschung für Trainer – Die 12 Prinzipien der Neurodidaktik” (aus: Training aktuell, April 2017) angeführten Grundsätze befolge ich bereits seit langem in meinen Seminaren und erwähne diese auch immer wieder in meinen MindFood Blogartikeln (z. B. ganz konkret im September 2013: “Besser, effizienter und leichter lernen – weniger vergessen.” oder mit Methoden, die vorgestellt werden).
Nicht nur, weil es, wie es die Wissenschaft immer wieder bestätigt, meine “Schäfchen” dadurch besser und nachhaltiger lernen, sondern auch weil es mir selber so viel mehr Spaß macht. Und ich zusehen kann, wie TeilnehmerInnen regelrecht erblühen, wenn man nur die Samen an der richtigen Stelle, im richtigen Ausmaß und zur richtigen Zeit sät.
Die ersten 6 Prinzipien habe ich dir hier – gespickt mit persönlicher Erfahrung, Tipps und Bildern – zusammengefasst:
1. Lernen ist ein physiologischer Vorgang
Lernen erfordert die Bildung neuer Synapsen. Die Bildung neuer Synapsen wiederum braucht vor allem Zeit und wachstumsfördernde Bedingungen. Dazu gehören ausreichend Schlaf, Bewegung und eine angemessene Aktivierung.
Kombiniere daher z. B. deine Input-Sessions mit Bewegungs- und Entspannungsübungen, beschäftige dich lieber länger und mit unterschiedlichen Zugängen mit einem Thema als mit zu vielen unterschiedlichen Themen. Solange neue neuronale Verbindungen noch nicht konsolidiert sind, sind sie anfällig für Interferenzen – zu viele Lernerfahrungen löschen sich also mitunter schon einmal gegenseitig und sind daher zu vermeiden!
2. Das Gehirn als soziales Organ
Lernprozesse verlaufen wirksamer, wenn sie in soziale Prozesse eingebunden sind. Nimm dir Zeit für ein intensives Kennenlernen und dafür, dass sich eine Vertrauensbasis zwischen TrainerIn und TeilnehmerIn aufbauen kann. Geeignete Methoden wären hiefür z. B. die Sozio-Metrie/Aufstellung oder die Kopfstand-Technik wie auch “Dreams & Nightmares”, wie auch viele andere, wie das “Gemeinsame Poster“, bei dem in die Mitte des Flipcharts die Gemeinsamkeiten geschrieben werden, und in den einzelnen Felder die individuellen Anliegen, Vorlieben, Hobbies, etc.
Baue Gruppenarbeiten ein, während derer deine TeilnehmerInnen zusammenarbeiten. Je nach Gruppengröße bieten sich hier – je nach Zielsetzung – zahlreiche Methoden an, wie z. B: World Café und FishBowl für größere Gruppen, die Disney Kreativitätsmethode, Brainwalking, Mindmapping, um nur ein paar zu nennen.
3. Die Suche nach dem Sinn ist angeboren
Wir alle erfüllen Aufgaben lieber, wenn wir wissen, wozu wir sie überhaupt erst erfüllen sollen. Je mehr Sinn eine Aufgabe für mein reales Leben ergibt und je mehr Bezug sie zu meinen Bedürfnissen hat, desto motivierter bin ich in der Regel. Für dein Training (wie auch deinen Workshop!) heißt das: bereits in der Auftragsklärungsphase, spätestens aber zu Beginn des Events klären: wo wollen wir überhaupt hin, was sind die kurzfristigen Entwicklungsziele, was die langfristigen Strategien?
Vor längerer Zeit gab es zum Thema “Ziele/Nicht-Ziele” schon mal einen MindFood Blogartikel, den du vielleicht nachlesen möchtest.
Und auch dafür eignet sich die zuvor erwähnte “Dreams & Nightmares”-Methode gut.
4. Nutzung von bestehenden neuronalen Mustern
Neue Erkenntnisse und Erfahrungen verknüpfen sich mit bereits vorhandenen. Oft sind es gerade bereits “eingefahrene” Muster, die uns allerdings die Weiterentwicklung erschweren. Wie gehe ich nun mit TeilnehmerInnen um, die mit den Worten “Kenn ich schon!” eine entspannte “Hier muss ich nicht weiter zuhören, geschweige denn mitmachen!”-Haltung einnehmen?
Trau dich, die Kompetenz deiner TeilnehmerInnen zu würdigen und von ihr zu profitieren! Einem/r TeilnehmerIn vorübergehend die TrainerInnen-Rolle zu überlassen, erfordert einiges an Souveränität und Mut, aber zahlt sich in der Regel aus. Stell aber sicher, dass du die Inputs deiner “Ko-TrainerInnen” aber bei Bedarf ergänzt, veränderst oder sie auch mit Verbesserungsvorschlägen konfrontieren kannst. Die Lernerfahrung, die sie durch dieses “learning by doing” machen, werden sie dir dafür lange danken!
Ich nutze dies in meinen Trainings ganz gezielt, indem ich insbesondere bei Train-the-Trainer und Moderationstrainings die TeilnehmerInnen moderieren bzw. trainieren lasse. Haben TeilnehmerInnen schon mal ein BusinessMind-Training besucht, ersuche ich diese vorab, eine Methode bzw. einen Input vorzubereiten und beim Training selbst mit der Gruppe durchzuführen, wie beispielsweise die folgenden Fotos zeigen.
Das ist zwar um einiges mehr Vorbereitungsarbeit für mich sowie für die TeilnehmerInnen, aber es gibt keinen besseren Weg, um auf eine höhere Stufe des Lernens zu kommen!
5. Emotionen sind wichtig für die Musterbildung
Die Verknüpfung von Gelerntem mit Emotionen trägt massiv zur Langfristigkeit des Verankerns in unseren Gehirnen bei. Emotionale Erregungszustände fördern nämlich die Ausschüttung von Neuromodulatoren, die wiederum die Neuroplastizität und somit das langfristige Lernen fördern. Schaffe also Erfahrungsräume, in denen deine TeilnehmerInnen mit ihren Emotionen in Berührung kommen. Beispiele hierfür wären z. B. Spaziergänge um eine Vision zu entwickeln, geführte Meditationen oder Fantasiereisen, kreative Aktivitäten, etc.
6. Das Gehirn verarbeitet Informationen gleichzeitig in Teilen und als Ganzes
In der Regel lernen wir zuerst nach Regeln/Prinzipien und versuchen diese übergeordneten Regeln/Prinzipien, dann in unsere Praxis zu übertragen. In der gelebten Praxis passiert das Lernen allerdings zumeist genau andersrum. Hier machen wir eine Erfahrung, fallen auf die Nase, verbrennen uns an der Herdplatte und aus den gemachten Lernerfahrungen leitet das Gehirn dann Generalisierungen ab. Daher empfiehlt es sich in Seminaren, die gewohnte Reihenfolge durchaus einmal umzukehren. Einfach mal etwas ausprobieren, und daraus erst in einem zweiten Schritt Regeln/Prinzipien ableiten.
Z. B. erarbeiten sich in meinen Train-the-Trainer Seminaren die TeilnehmerInnen das Kapitel Neurodidaktik selbst, und zwar indem ich Karten verteile, die paarweise zusammenpassen. Diese gebe ich unsortiert an die TeilnehmerInnen weiter. Diese finden dann die Paare, die sie dann präsentieren. Wir besprechen die Inhalte und ergründen gemeinsam die Prinzipien der Neurodidaktik. Na, klingt doch besser als eine lange ppt-Präsentation, oder?
Ein eigenes Kapitel zum Thema Neurodidaktik findest du auch in meinem Buch “Blühende Workshops und Trainings mit Erfolgsgarantie”, das Mitte Juli auch in Englisch erscheinen wird! Wer noch mehr darüber wissen möchte, sei auf das Buch “Neurodidaktik für Trainer: Trainermethoden effektiver gestalten nach den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung” verwiesen.
Na, neugierig geworden? Im nächsten Blogartikel findest du dann die nächsten 3 Prinzipien – es geht dann um gezielte Aufmerksamkeit vs. periphere Wahrnehmung, unbewusstes Lernen, die Einzigartigkeit unserer Gehirne und vieles mehr!
Ich freue mich auf dich und dein Feedback!
Liebe Grüße, Birgit
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