Eine geballte Ladung weiblicher Führungskraft im World Café

Als die Anfrage der „Coatings Industry“ hereinflatterte, musste ich erstmal nachschauen, was „Coatings Industry“ überhaupt heißt. Aha, die Lack- und Farbenindustrie. Hm, sagt mir wenig.

Aber dann wurde ich neugierig: man will ein „Coatings Leading Women’s Forum“ ins Leben rufen, in dem nur weibliche Top-Führungskräfte geladen sind. Weibliche CEOs, von KMU bis  zu internationalen Konzernen. Nach dem Briefing war dann eins sonnenklar: das ist reizvoll! Weibliche Führungskräfte in einer sehr männlich dominierten Business-Umgebung unterstützen? Dafür bin ich zu haben!

Rief dies schließlich sofort Erinnerungen an meine eigene Vergangenheit hervor, als ich als österreichische Vertreterin in 2 Komitees der Europäischen Kommission (und zwar „energy research“ + „demonstration“) ziemlich allein meine „Frau“ stand. Aber noch viel schlimmer war es in der österreichischen Energieforschungscommunity: da war ich fast allein auf weiter Flur mit all meinen „Makeln“ :-): jung (quasi „frischgfangt“ nach der Uni) + weiblich (schlank und nicht besonders groß), und dann auch noch zu allem Überdruss Nicht-Technikerin (sondern Sozialwissenschafterin!!). Also: ich war bereit für die Coatings Frauen!!

Das Anliegen war, ein Netzwerk ins Leben zu rufen, in dem sich die weiblichen Führungskräfte offen austauschen, voneinander lernen und sich gegenseitig inspirieren konnten Initiiert wurde das Ganze von Gloria Glang (Clariant), Paula Salastie (CEO &Owner, Teknos, FI) und Sonja Schulte (Vincentz Network, DE).

Als ich das hörte, lag die Methode auf der Hand: Das World Café, das zu den schon formulierten Fragestellungen ausgezeichnet passte.

Und nun bin ich gerade zurück aus Forst in der deutschen Weinstraße und mehr als beeindruckt, was ich dort in 1,5 Tagen erleben und auch lernen durfte. Daran möchte ich dich nun gerne über diesen Blogartikel teilhaben lassen.

Starting with.. exzellente Vorträge

Beginnend mit der exzellenten Organisation, über die wunderbare Location (Weingut der Familie Murjan, die auch in Coatings tätig ist – DAW), bis hin zu den herrlichen Weinen, die wir verkosten durften, und – last but not least – die engagierten Top-Frauen, die mit Begeisterung bei der Sache waren.

Der erste Vormittag begann mit spannenden Vorträgen, die von Daniel Freymüller, Kulturproduktion, mittels Graphic Recording, dokumentiert wurden.

Der Gastgeber und Firmenchef Ralf Murjan (DAW) gab Einblicke in sein Familienunternehmen DAW mit 5.600 MitarbeiterInnen (also, DAW sagte mir erstmal gar nix, aber mit dem Namen „Alpina“ für Farben konnte ich dann doch eine Verbindung herstellen) mit seinem Vortrag „Family business culture drives value creation“.

Wusstest du, dass ca. 91 % der deutschen Unternehmen Familienunternehmen sind, die ca. 55 % des Gewinns erwirtschaften und ca. 57 % der MitarbeiterInnen in Deutschland haben? Also, ich nicht. Sein Plädoyer war: „Create a culture where people can grow and follow ethical criteria!“

Danach folgte ein Input der Professorin Heather Hofmeister von der Goethe University Frankfurt zum Thema „Being authentic and successful as a women leader in a man’s world: Expanding your leadership toolbox”. Sie erläuterte spannende Hintergründe aus Soziologie, Psychologie, Ökonomie und Genderforschung, warum Frauen immer noch sehr stark an die gläserne Decke stoßen.

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Damit nicht genug der Herausforderungen! Wie Krisenmanagement ablaufen kann, erfuhren wir dann sehr authentisch von der Firmenchefin Sabrine Kunz, CEO, ACC Beku GmbH (DE), die über einen Brand im neu erbauten Werk berichtete: „Disaster – One morning it simply happened. Field report of our plant fire on 8 February 2017”.

Und Paul Harnick von der KPMG informierte über “Women in the chemical industry and the gender diversity challenge”.

Interaktiver Nachmittag: ein nicht ganz “echtes” World Café

In der Mittagspause hab ich vermutlich die engagierten Helferleins etwas zur Verzweiflung gebracht, da mir bewusst war, dass wir das Setting etwas ändern mussten (aus großen Tischgruppen kleinere machen), um der nicht idealen Akustik zu begegnen. Dies bedeutete, einen Teil der sehr schweren Tische abzubauen und wegzutransportieren. Danke und nochmals sorry dafür, aber es gibt manchmal einfach ungünstige Gegebenheiten, die man erst vor Ort bemerkt und dann entsprechend adaptieren muss.

Nach dem Lunch starteten wir den ersten interaktiven Teil mit einem etwas adaptierten World Café zur Frage: „What will be the most important challenge for the international coatings industry during the next 10 years?“. Den Prozess und die Rollen von “Host” und “Traveller” hatte ich auf Flipcharts beschrieben.

Adaptiert deswegen, weil wir nicht 1 durchgängige Frage für alle 3 Runden hatten, sondern in der 1. Runde die Herausforderungen, und den nächsten beiden Runden die Lösungsvorschläge dafür sammelten. Hm, methodisch nicht ganz sauber (eine klassische Themensammlung wäre mir lieber gewesen), aber zeitlich nicht anders machbar.

Daniel, unser Visualisierungsmeister, hatte mir netterweise auch die „Café Etiquette“ graphisch verhübscht (Danke, Daniel! Hätte ich nie so schön hingekriegt!):

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Aus diesen Fragen ergab sich eine sehr lebhafte Diskussion aller 30 Beteiligten. Nach der Beantwortung der Challenges, gab es 5 Extra-Minuten, um die wichtigsten 1-2 herauszufiltern, und dann – in den nächsten beiden Runden Lösungsvorschläge dafür zu finden.

Wie immer beim World Café wurde viel auf die Tischtücher geschrieben. Früher ließ ich das alles präsentieren, habe aber mittlerweile festgestellt, dass es besser und strukturierter ist, die Essenz aus der Diskussion zu extrahieren, insbesondere, wenn es sehr große Gruppen sind. Dies führt auch dazu, dass die Präsentation wirklich sehr knackig gehalten werden können.

Und diese Ergebnisse, die von den Hosts präsentiert und mittels Karten auf Pinwänden geclustert wurden, hat Daniel dann auch wieder ganz wunderbar zusammengefasst.

Das war das 1. World Café mit sehr engagierten weiblichen Top-Führungskräften, das sicherlich den ohnehin schon regen Austausch weiter stimuliert hat. Und wo kann man sich noch ideal austauschen? Beim Socialising! Daher ging’s informell weiter mit einer Weinberg-Wanderung (leider bei miserablem Wetter) und dem anschließenden Gala-Dinner in einem wunderschönen Kellergewölbe.

World Café – einmal geht’s noch!

2. Tag: klarerweise wieder früh aufstehen, denn wer ist als Erste am Ort des Geschehens? Die Event-Managerinnen und die Moderatorin. Kurze Absprache mit den Auftraggeberinnen, da mir aufgefallen war, dass im Programm kein Slot vorgesehen war, in dem Ideen für das Follow-Up eingesammelt werden konnten. So änderten wir flexibel die Vormittags-Session (übrigens, hier wieder mal mein Credo: „Exzellente Planung ist die Basis für Flexibilität im Workshop“. Klebe nicht sklavisch an deiner Planung, wenn sich spontan ein wichtigerer Bedarf auftut!).

Doch vor dem nächsten World Café gab es noch 2 spannende Inputs:

Zum einen von Ezio Braggio (President EMEAI, Sherwin Williams) zum Thema „How to give equal opportunities to all genders, races, religions etc? Value the human being!”

Zum anderen von Paula Salastie (CEO & Owner von Teknos, FI), Chefin von 16.000 MitarbeiterInnen weltweit, die über diverse Merger berichtete: “How to handle leadership and company culture during a merger?” Eine der Antworten: Communicate! Communicate! Communicate! (und das aus dem Munde einer Finnin, wie sie selbst auch selbstironisch meinte :-)). Begonnen hat Teknos übrigens in einem Hühnerstall!

Aber zurück zum 2. World Café, das nun die Leitfrage hatte: “How to systematically identify, hire, support and retain top talents in my company?”

Diesmal gab es nur 2 Runden des Austausches á 20 Minuten, danach wieder Extra-Minuten, um die Ergebnisse zu extrahieren, und dann wieder sehr kurz – in Form eines Elevator Pitches – zu präsentieren.

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Die restliche Zeit wurde noch genutzt, um Ideen zu sammeln, wie der Austausch nach dem Event vertieft werden kann.

Mein methodisches Fazit: Das World Café ist immer wieder eine exzellente Methode, um in einer relativ kurzen Zeit mit vielen Menschen in Kontakt zu treten und sich zu einer sehr konkreten Fragestellung auszutauschen oder auch Ideen zu generieren. Wichtig dabei ist es, eine relevante Fragestellung zu finden (auch wenn das vielleicht trivial klingen mag), die bei den Teilnehmenden Energie erzeugt und den Wunsch, mehr von den anderen Teilnehmenden zu erfahren, aber auch die eigenen Erfahrungen und Ideen zu teilen.

Und tu mir bitte einen Gefallen: Bitte verwende den Namen “World Café” wirklich nur dann für die Methode, wenn es auch wirklich ein “World Café” ist. Mittlerweile wird schon fast jede Arbeitsgruppe als ein solches bezeichnet, ohne eins zu sein.

Das Fazit zu dem 1. Coatings Leading Women’s Forum: Ich war begeistert! Begeistert von der geballten Frauen-Power, der wunderbaren Mischung von Professionalität, Intelligenz, Offenheit und Herzlichkeit.

Danke, dass ich euch begleiten durfte!

Birgit