Moderationstipps für Projekt Kick-Off Meetings (Beispiel EU-Projekt “Fish Forward 2”)

Vorab ein paar Worte der Fish Forward 2 Projektkoordinatorin Sabine Gisch-Boie (WWF Österreich):

„Einen großen Dank an die Moderationskünste von Birgit und Nicole! Schon die Vorbereitungsphase für den Inception Workshop war großartig, da die beiden genau auf unsere Anliegen eingegangen sind und das Programm haargenau auf die Bedürfnisse des Teams abgestimmt haben.

Während des Workshops kam die gelungene Symbiose von Inhalten und Teambuildingsaktivitäten zu tragen und es lag eine offene, wertschätzende und zugleich professionelle Haltung in der Luft und der Teamspirit und die Motivation der TeilnehmerInnen war zum Greifen nah.

Das Gelingen des Inception Workshops ist vor allem für ein virtuell arbeitendes Team, wie wir es sind – mit 80 Mitarbeitern in 17 Ländern – ein wichtiger Meilenstein für den weiteren Projektverlauf und Projekterfolg. Umso wichtiger ist es, auf eine hervorragende Moderation vertrauen zu können.”

Vielen Dank für dieses Feedback, liebe Sabine, das uns riesig freut! Es ist wie immer ein Vergnügen für und mit euch zu arbeiten! Nun zum Inception Workshop (= Kick-Off Meeting) selbst:

Erinnerst du dich an die beiden Blogartikel zu den von mir moderierten “Fish Forward“ Workshops? Du kannst sie hier (Inception Workshop) und hier (Closure Meeting) nochmals nachlesen, um dir zahlreiche Ideen für kreative Methoden sowie Tipps und Tricks für die Moderation von großen Gruppen abzuholen.

Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche stand nun das Inception Meeting des von der EU ko-finanzierten Nachfolgeprojekts „Fish Forward 2“ am Plan, welches ich diesmal gemeinsam mit meiner fleißigen Mitarbeiterin Nicole Schmidt moderiert habe. Wie meistens, wenn wir gemeinsam auftreten, übernimmt Nicole den „Fun Part“ (und ich bleibe auf den „seriösen“ Teilen sitzen und muss auch mal – in Hinblick auf die Zeit – „die Peitsche schwingen“ :-), was eher der ungeliebte Teil meines Jobs ist) inklusive Openers, Energizers und dergleichen, unterstützt mich mit Fotos und bei der Umsetzung spontaner Änderungen meiner bunten Excel-Liste für die Detailplanung. Bei Meetings mit so vielen TeilnehmerInnen (diesmal waren es über 50 aus 17 verschiedenen Ländern) und so vielen RednerInnen und InputgeberInnen kann es schon mal sein, dass du spontan Änderungen vornehmen musst.

Eine fundierte Planung hilft dir im Falle des Falles flexibel zu sein!

(Was sich allerdings trotz all der wunderbaren Unterstützung von Nicole leider nicht erfüllt hat, war ein Powernap für mich zwischendurch. Daran sollten wir noch arbeiten! :-))

Auch im vom WWF Österreich koordinierten Nachfolgeprojekt geht es wieder um nachhaltigen Fischkonsum – vor allem um die Verhaltensänderung von KonsumentInnen und Unternehmen beispielsweise durch zielgerichtete, nationale Medienkampagnen (schau hier nochmals in das vielfach ausgezeichnete Video „Nonoy and the Sea Monster“ rein! Es lohnt sich!). Diesmal gibt es zusätzlich noch einen Fokus auf Klimawandel und Gender und die aktive Beteiligung von Entwicklungsländern wie z.B. Indien, die Philippinen, Tunesien und Südafrika.

Dieses Projekt macht also schon allein deshalb so viel Freude, weil es inhaltlich so interessant und so sinnvoll ist. Darüber hinaus sitzen im WWF Österreich Team, genauso wie in allen anderen Partnerorganisationen, so viele wunderbare, engagierte und lustige Menschen, dass diese beiden Tage wieder eine große Bestätigung für mich waren, warum ich diesen Job so unglaublich gerne mache.

Besonders hervorzuheben ist die durchdachte Vorbereitung des WWF-Österreich, die mit viel Liebe, u.a. zum Detail, nicht nur die Inputs mehr als kreativ gestaltet haben, sondern auch für einen sehr ansprechenden Empfang gesorgt haben. Neben Fischen, auf denen nicht nur die Namen und Fotos der TeilnehmerInnen waren, sondern auch Fragen, die dann in Paaren zu beantworten waren, gab es auch – von einer Behindertenwerkstatt angefertigte – gehäkelte Fisch-Schlüsselanhänger für jede/n. Wie sollte man sich anders als willkommen und wertgeschätzt fühlen? Und somit fungierten sie – wie auch schon beim Inception Workshop von FF1 – als Role Model. Wenn ich gerne Commitment von Projektteam hätte, dann sollte ich dieses selbst vorleben.

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Den Anfang haben am ersten Tag 2 VertreterInnen vom WWF Österreich als Projektkoordinatorin mit Begrüßungsworten gemacht. Gefolgt von dem altbewährten Opener „Gemeinsames Poster“, während dem Kleingruppen von 6-7 Personen beispielsweise ihre Gemeinsamkeiten und Wünsche für das Projekt besprechen und dann auf Flipcharts visualisieren. Selbstverständlich wurden auch die die Ziele des Inception Workshops (immer dabei wichtig: das “Big Project Picture”) sowie das Programm gut sichtbar und dauerhaft im Raum platziert, ebenso wie zentrale Projektinhalte bzw. -strukturen.

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Die Gruppenfindung gestaltet sich bei einer so großen Gruppe oftmals gar nicht so einfach. Da geht viel Zeit für Wegzeiten und nochmalige Erklärungen drauf. Wir haben uns zur Gruppenbildung für eine Aufstellung entschlossen, bei der wir die TeilnehmerInnen gefragt haben wie lange sie schon Teil der Fish Forward Familie sind.

Bei so großen Gruppen (die Schlange ging durch den halben Saal), empfiehlt es sich visuelle Ankerpunkte zu setzen (hier waren das z. B. „FF1 Inception Meeting”, „Mid Term Meeting“, „Closure Meeting”, etc.), um deinen TeilnehmerInnen bessere Anhaltspunkte zu geben, wo sie sich in etwa hinstellen sollen.

Hier zeigt sich auch, dass sich unterschiedliche Methoden gut kombinieren lassen bzw. eine Methode eine zweifache Wirkung haben kann (wir konnten sehen wer „Oldie“ und wer „Newbie“ ist und gleichzeitig Gruppen bilden).

Zur Gruppenbildung haben wir einfach von 1-8 durchgezählt und schon waren unsere 8 Gruppen für die Poster Übung erstellt.

Aber Achtung! Wenn die Gruppe 1 nicht weiß, wo sich die Gruppe 1 sammelt und ihr auch noch Gruppe 2 und 3 auf dem Weg dorthin im Weg stehen, können hier schon mal ein paar weitere wertvolle Minuten verloren gehen.

Danach ging es weiter mit ein paar kurzen inhaltlichen Inputs, zu denen sich die TeilnehmerInnen jeweils im Anschluss für 5 Minuten in Flüstergruppen an den Tischen austauschen und ihre Fragen auf verschiedenfarbigen Kärtchen notieren konnten. Ich hab dies als „Verdauungsrunden“ bezeichnet, und finde, dass diese Vorgehensweise besser ist als die klassischen „Frage & Antwort – Runden“, da sich wirklich alle einbringen können, und nicht nur die – meist immer gleichen – „Vorlauten“ :-). Die Fragekarten wurden dann auf Pinnwänden gesammelt und nach der Pause von den jeweiligen ExpertInnen beantwortet.

Aber zuerst ging es noch an die von mir sehr geschätzte Werte-Übung, diesmal zur Fragestellung „Was ist dir wichtig für eine gute FF2 Kooperation, um das Projekt erfolgreich abzuschließen?“ Zuerst notiert jede/r für sich 3 ihrer/seiner Grundwerte auf 3 Moderationskarten. Dann geht man zu zweit zusammen, tauscht sich über die jeweiligen Werte aus und einigt sich dann auf 3 gemeinsame Werte. So kann dies theoretisch unendlich weitergehen.

Wir haben bei Gruppen mit 16 Personen aufgehört. Und es ist tatsächlich gelungen sich mit 3 x 16 Personen somit auf insgesamt 9 Werte zu einigen (nachstehend nur 3 Beispiele daraus). Bei kleineren Gruppen wäre das Ziel sich auf 3 Werte zu einigen.

Wenn noch Zeit ist, empfehle ich auch noch einen weiteren Schritt anzuhängen, nämlich die „Erfüllungsbedingungen“ zu formulieren: Kleingruppen bekommen jeweils einen Wert zugewiesen (oder suchen sich einen aus) und diskutieren in der Gruppe (und notieren auf einem Flipchart), welche Kriterien es braucht, um diese Werte nun auch tatsächlich in der Zusammenarbeit umzusetzen.

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Eine ganz wunderbare Teamentwicklungsmethode, die ich wirklich nur wärmstens empfehlen kann.

„Eine tolle Sache! Ich werde vorschlagen die Werteübung für alle WWF Projekte einzuführen!“ Sabine Gisch-Boie, Projektkoordinatorin, WWF Österreich

Den Abschluss des ersten Tages machten Präsentationen der VertreterInnen aus den Entwicklungsländern und eine Diskussion im Fish Bowl – Setting, um offene Fragen an diese zu adressieren.

Am 2. Tag starteten wir mit einem „Diversity Bingo“. Hier bekommt jeder Teilnehmende ein 4-Sheet mit 25 Kästchen, die alle ein bestimmtes Merkmal enthalten, wie z. B. „A person who is left-handed“, „A person who speaks more than 3 languages“, etc. Wie auch beim „normalen“ Bingo gilt es, so schnell wie möglich 5 Kästchen in einer Reihe (horizontal, vertikal oder diagonal) zusammenzubekommen. Natürlich gab es am Ende einen Preis zu gewinnen und so waren alle EXTRA motiviert schnell zu ihrem „BINGO!“ zu kommen 🙂

Dann folgte eine lange Session zu den geplanten Marketingkampagnen, mit Diskussion nun in den Ländergruppen (vorher hatten wir ein maximal bunt gemischtes Setting, damit sich so viele TeilnehmerInnen wie möglich kennenlernen), einer weiteren Aufstellung zum Fischkonsumverhalten in den Ländern und einer weiteren Kleingruppendiskussion zu möglichen Verbesserungsvorschlägen der Kampagne.

Als Energizer haben wir uns über eine Übung getraut, die im ersten Moment gerne ein wenig kritisch beäugt wird, sich allerdings einfach wirklich IMMER als Highlight entpuppt. Ich nenne sie gerne die „Bondage Übung“ 🙂

Dabei werden 2 Personen miteinander verknotet und müssen sich aus dieser Verknotung lösen. Natürlich ohne die Schnur durchzuschneiden, durchzubeissen oder einen Knoten zu öffnen. Es gibt natürlich eine Lösung, aber sie ist nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich und bis sich das erste Paar aus der Verknotung gelöst hat, entstehen herrlich viele unfassbar lustige „Menschenknäul“. Diese Übung macht nicht nur großen Spaß, sondern beinhaltet auch eine wichtige Botschaft: Es gibt immer eine Lösung, auch wenn sie nicht immer naheliegend ist!

Nach zwei weiteren Inputsessions zu Policy und Firmenkooperationen, die auch super kreativ umgesetzt wurden, bildeten wie schon beim Inception Workshop des ersten Projektes „Body Sculptures“ den Abschluss. Hier haben wir die TeilnehmerInnen aufgefordert, die zuvor erarbeiteten Werte in einer Körperskulptur darzustellen. Da gab es zahlreiche kreative Schöpfungen zu Werten wie „Commitment“, „Team Spirit“ oder „Result orientation“.

All diese Übungen bei denen deine TeilnehmerInnen auch körperlich zum Einsatz kommen, dienen übrigens nicht nur der Auflockerung und Aktivierung, sondern machen durchaus auch neurowissenschaftlich Sinn, da die zuvor visuell und auditiv aufgenommen Inputs nun auch noch über eine weitere Ebene im Körper verankert werden!

Zum Schluss gab es noch Geschenke, viele Umarmungen und einen großartigen Team-Spirit, der aus dem Springerschlössl in Wien hinausgetragen wird in die Welt des nachhaltigen Fischkonsums.

Übrigens – wie auch schon in den letzten beiden Artikeln dazu erwähnt: Bitte die vorgestellten Methoden nicht 1:1 kopieren und nachmachen, denn: Methoden folgen den Zielen (und nicht umgekehrt!). Auch ist immer Bedacht auf die Zielgruppe zu nehmen und auf deren Größe – nicht jede Methode ist für jede Gruppengröße geeignet.

Welche Erfahrungen hast du mit Meetings von EU-Projekten gemacht? Teile doch nachstehend deine Erkenntnisse und Herangehensweisen mit uns!

Es grüßt dich, Birgit

PS: Ach ja und .. kauf nachhaltigen Fisch! https://fischratgeber.wwf.at/

PPS: Wenn du noch mehr über Moderation und Methoden erfahren möchtest, dann findest du wie immer auch viel Wertvolles in meinem Buch „Blühende Workshops und Trainings mit Erfolgsgarantie“ ! 🙂 oder nimm teil an meiner Sommerakademie “Training Workshop-Moderation” am 5/6 Juli und / oder “Training Großgruppenmoderation” am 9/10 Juli (Anmeldeschluss ist der 31. Mai)!